Die deutsche Hoffnung heißt Ryoyu Kobayashi


Ryoyu Kobayashi hat sich bei seinen Heimspringen in Sapporo eindrucksvoll mit zwei Siegen zurückgemeldet. Bei den deutschen Ski-Adlern sorgte lediglich Andreas Wellinger als Neunter für einen kleinen Lichtblick. Kommendes Wochenende sind nur die Damen beim Weltcup in Hinzenbach am Start. Danach präsentieren sich Männer und Frauen bei der Ski-WM in Trondheim wieder zusammen. Wir haben bei Skisprungexperte Gerd Siegmund nachgefragt.

AVIA: Hallo Gerd, wie komisch war das denn? Zwei Skispringen und zweimal gewinnt kein Österreicher…

Gerd Siegmund: Dafür zweimal ein Japaner, und dann auch noch ein und derselbe. Ryoyu Kobayashi hat vier Sprünge wie aus einem Guss gezeigt. Und ich dachte, das war haargenau der alte Ryoyu, wie er im Vorwinter die Vierschanzentournee gewonnen hat. Ein bisschen hatte es sich angedeutet, dass wieder mit ihm zu rechnen ist. Nachdem er den Weltcup in Zakopane ausgelassen hatte, ist er danach häufig unter den Top 10 gewesen. Aber dass er so eindrucksvoll zwei Wochen vor der WM zurückkehrt, kam für mich schon überraschend.

AVIA: Zuvor hatte der Japaner die ganze Saison über auch so seine Probleme - so wie die deutschen Skispringer seit der Vierschanzentournee…

Gerd Siegmund: Deshalb könnte man fast sagen: Ryoyu Kobayashi sollte uns Hoffnung geben. Er hat es nach langer Durststrecke wieder ganz nach oben geschafft, wobei aus deutscher Sicht für mich fast nur Andreas Wellinger in Frage kommt und im Einzel bei der WM eine Podestchance besitzt. Man sieht, sie sind alle am Kämpfen, aber es klemmt.

AVIA: Worin siehst du das deutsche Hauptproblem? 

Gerd Siegmund: Wir müssen schneller in die Flugposition kommen. Und zwar nicht so, wie es Pius Paschke probiert, nämlich nur nach vorn rauszuspringen. Das Ganze muss auch mit einem kräftigen Absprungimpuls passieren. Wellingers bester Sprung hat das gezeigt: Wenn er auf Zug bis an die Kante fährt und den Schwerpunkt so hat, dass er richtig über den Ski kommt, kann das noch was werden in Trondheim. Ich traue ihm das zu!

AVIA: Wie siehst du generell die Karten für die WM verteilt?

Gerd Siegmund: Kobayashi muss man neben den Österreichern wieder an erster Stelle nennen. Die Norweger liefern auch. Forfang ist vor seinem Heimspiel in Topform, Lindvik offenbar wieder im Kommen. Mit den Slowenen ist eher auf der Großschanze zu rechnen.

AVIA: Im Gegensatz zu den pausierenden Herren sind die Damen nochmal am Start – in Hinzenbach. Wie schätzt du da die Lage ein?

Gerd Siegmund: Aus deutscher Sicht hervorragend. Selina Freitag hat jetzt schon sechs Podestplätze in diesem Winter erreicht. Agnes Reisch erweist sich als absolute Teamverstärkung und hat einen Riesensprung in dieser Saison gemacht. Katharina Schmid hat noch leichte Reserven, ist noch nicht wieder in Topverfassung.

AVIA: Doch wo Freude ist, ist manchmal auch Leid. Für Norwegens Medaillenkandidatin Thea Minyan Bjoerseth ist die Saison vorbei. Hast du schon eine Diagnose?

Gerd Siegmund: Das muss man sich mal vorstellen: Du bist in der Form deines Lebens und dann fällst du für die Heim-WM aus. Und die kommt ja so schnell nicht wieder. Das ist echt bitter. Diagnose habe ich keine. Aber wenn hinspringen und umfallen – wie es der Fall war – so zeitnah passieren, muss man von der schlimmsten Knieverletzung ausgehen.

AVIA: Dann lass uns mit Luisa Görlich das Interview beenden.

Gerd Siegmund: Ja, ihr Beispiel zeigt, dass man nicht aufgeben darf. Und die tolle Geschichte passt irgendwie zum starken deutschen Team: Sie hat es auf den letzten Drücker nach ihrem Kreuzbandriss ins Team für Trondheim geschafft. In dem Sinne drücken wir alle Thea Minyan Bjoerseth die Daumen, dass sie bald wieder zurückkehrt.

AVIA: Danke fürs Gespräch.

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