Klingenthal: Ein Augenschmaus für alle Skisprungfans

Halvor Egner Granerud schwebt weiter auf Wolke sieben, die deutschen Ski-Adler zeigen eine Reaktion. Klingenthal erweist sich als ausgezeichneter Gastgeber in schwierigen Zeiten: Nach dem Wochenende in der Vogtland-Arena gerät AVIA-Skisprungexperte Gerd Siegmund fast ins Schwärmen. Wir haben uns mit ihm nach der 13. Weltcupstation dieses Winters unterhalten.


AVIA: Hallo Gerd. Du arbeitest im Hintergrund auch für das ZDF. Hatte der Sender nach den Wetterprognosen vom Freitag schon ein Ausfallszenario auf dem Schirm?

Gerd Siegmund: Soweit ich weiß, muss so etwas immer als Notlösung beim übertragenden Sender vorliegen. Es kann ja im Freiluftsport immer zu Verzögerungen kommen. Ich bin jedenfalls froh, dass das Wetter letztlich in Klingenthal mitspielte und sich die Mühen der Organisatoren gelohnt haben. Man darf ja nach den vielen Kapriolen in den vergangenen Jahren auch mal Glück haben. Die Athleten haben eine glänzend präparierte Schanze vorgefunden. Unter sicher nicht einfachen Bedingungen mit weniger Helfern als üblich haben die Vogtländer eine Top-Veranstaltung hinbekommen. Großes Kompliment dafür!

AVIA: Die Belohnung kam von den Aktiven insbesondere am Sonntag. Oder wie hast Du die Wettbewerbe aus der Ferne erlebt?

Gerd Siegmund: Ja, an beiden Tagen gab es gutklassigen Sport, wobei das zweite Springen schon unglaublich gewesen ist: Ein Augenschmaus für alle Skisprungfans. Begünstigt durch den stabilen Aufwind, der fast wie ein Kamin wirkte, haben wir eine tolle Flugshow auf extrem hohem Niveau gesehen. Rund 130 Meter sind nötig gewesen, um überhaupt erst in den Finaldurchgang zu kommen. Und spannend war es obendrein. Die ersten zehn des ersten Durchgangs lagen innerhalb 6,6 Punkten.

AVIA: Ein Jammer, dass keine Zuschauer live dabei sein durften …

Gerd Siegmund: Ja, aber das wissen wir ja. Klar hätte ich mir gewünscht, dass bei so einem Finale 15.000 Fans die Arena zum Kochen bringen. Das wäre ein richtiges Fest geworden mit weiten Sprüngen, engen Abständen und Markus Eisenbichlers drittem Rang als krönenden Abschluss. Ich denke trotzdem, dass es eine gute Werbung war für Klingenthal, das dann im nächsten Winter die Skispringer wieder regulär im Weltcup zu Gast haben wird. Dann hoffentlich wieder mit vielen Fans.

AVIA: Martin Hamann spielt schon fast im Konzert der ganz Großen mit. Was sagst Du zu ihm?

Gerd Siegmund: Ja, er hat sein erstes Top-10-Resultat eingefahren, das war auch wichtig mit Blick auf die WM. Denn wenn man zu den Titelkämpfen in Oberstdorf im Team ein Wörtchen um Gold mitreden will, braucht man vier Springer, die in die Top 15 kommen. An der Konstanz muss Martin sicher noch ein bisschen arbeiten. Aber das schafft er hoffentlich. Wenn er nach dem Absprung die Drehung hinbekommt, ist er vorn dabei.

AVIA: Was sagst Du insgesamt zum deutschen Team?

Gerd Siegmund: Man hat gesehen, gerade am Samstag: So ein Winter ist kein Selbstläufer. Es heißt immer wieder, sich neu auf eine Schanze einzustellen. Das hat bei Markus Eisenbichler gut geklappt. Auch Pius Paschke scheint sich gefangen zu haben. Martin Hamann hat - wie erwähnt - wieder einen Schritt nach vorn gemacht. Und Constantin Schmid konnte zumindest in einzelnen Flügen zeigen, dass er das Springen nicht verlernt hat. Nur Karl Geiger ist momentan das Sorgenkind.

AVIA: Was läuft schief beim Skiflug-Weltmeister?

Gerd Siegmund: Dass er derzeit etwas in den Seilen hängt, hatte sich abgezeichnet. Vielleicht holen ihn jetzt ein bisschen die großen Ereignisse der letzten Monate ein. Der Tournee-Auftaktsieg daheim in Oberstdorf, der Titel bei der Skiflug-WM, die Quarantäne nach der Corona-Diagnose und Vater ist er auch noch geworden. Das darf man auch nicht unterschätzen. Da gibt es daheim sicher auch andere Abläufe als gewohnt. Das alles kann sich irgendwann bemerkbar machen. Aber ich bin zuversichtlich, dass sich der Karle wieder fängt. 

AVIA: Sollte er eine längere Trainingsphase einlegen?

Gerd Siegmund: Ich weiß, dass er dieser Tage auf der 90-m-Anlage in Oberstdorf trainiert hat. Die kleine Schanze ist ja ein probates Mittel, um die eigene Wahrnehmung mit Blick auf die Technik zu prüfen. Er hat ja selbst im Interview gesagt, dass er manchmal denkt, dass er tief in der Anfahrtshocke sitzt, im Video dann aber ein anders Bild sieht, nämlich dass er zu hoch sitzt. Dies kann auch die Folge eines forcierten Krafttrainings mit Blick auf die WM sein. Aber das wird er mit seinen Trainern sicher analysieren. Der Plan ist, dass er am Wochenende beim Weltcup in Zakopane startet.

AVIA: Danke Gerd für das Gespräch

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