Comeback von Olympiasieger Simon Ammann: Ein Schuh fliegt nicht von Zauberhand

Norwegens Doppelsieger Halvor Egner Granerud war der Superflieger bei der Windlotterie in Willingen. Trotz der Turbulenzen brachte die elfte Weltcupstation einige Erkenntnisse, zumindest für unseren Skisprungexperte Gerd Siegmund. Wir haben bei ihm nachgefragt.


AVIA: Fast zwei Stunden für einen Durchgang am Sonntag – war das grenzwertig in Bezug auf ein sportlich faires Ergebnis, oder?

Gerd Siegmund: Würde ich nicht sagen: Diese absolute Fairness gibt es im Outdoorsport selten bis gar nicht. In meinen Eurosportzeiten haben wir auch mal ein Skifliegen übertragen, das fünfeinhalb Stunden dauerte. Auch das olympische Springen in Pyeongchang ging über drei Stunden. Es gab diese Springen schon in der Historie. Der frühere Bundestrainer Reinhard Heß hätte wohl gesagt: Es war abpassbar…

AVIA: Was Dich als Springer vermutlich genervt hätte, wenn Du von den Bedingungen her daneben greifst…

Gerd Siegmund: Klar, wenn Du zur Schanze fährst und siehst die Bewegung in den Bäumen, dann weißt Du, dass Du an diesem Tag das Glück brauchst. Aus meiner Sicht hat die Jury einen guten Job gemacht. Es war zu keiner Zeit für die Athleten gefährlich. In diesem Zusammenhang kann man mal erwähnen, dass die Sportart Skispringen mit der Entwicklung des Schuh-Bindungssystems, auch wenn es die Problematik der Landestürze gibt, sicherer geworden ist.

AVIA: Am Ende haben sich – Wind von vorne oder von hinten – auch wieder die Besten durchgesetzt, siehe Granerud.

Gerd Siegmund: Ja, es zeigt sich, dass die stabilsten Springer mit der besten Form diese Verhältnisse meistern können. Man sieht auch, die Aktiven sind top ausgebildet, sogar die kleineren Nationen.

AVIA: Und der kleine Simon Ammann fliegt mit seinen 39 Jahren auch wieder. Was hat sich denn der Schweizer in seine Schuhe eingebaut?

Gerd Siegmund: Wenn es da etwas geben sollte, so ist es das sicher nicht allein. Er hat mir einmal gesagt, dass er mit dem neuen Sprungstiefel eine Weiterentwicklung gefunden hat. Aber eines ist doch auch klar: So ein Schuh fliegt nicht wie von Zauberhand allein so weit. 

AVIA: Die Leistungsexplosion ist dennoch riesig nach 30. und 40. Plätzen zu Saisonbeginn bis hin zum Scheitern in der Qualifikation bei der Tournee. Wie schafft es Ammann plötzlich in die Top Ten?

Gerd Siegmund: Klar ist er ein ausgesprochener Materialtüftler. Aber bei ihm hat man in Willingen wieder mal ein Absprung aus dem Fuß gesehen. Er ist also nicht mehr nur in die Vorlage geschossen. Sein Kraft-Level scheint zu stimmen. Skispringen funktioniert, wenn du dich sicher fühlst, viel Zutrauen hast. Das ist Simon Ammann offenbar gelungen.

AVIA: Sein Beispiel zeigt, dass man über eine Auszeit im Continental erfolgreich in die Erste Liga zurückkehren kann?

Gerd Siegmund: Ich würde sogar sagen, es ist ein leuchtendes Beispiel.

AVIA: Mit Blick auf die zweite Garde im deutschen Adlerhorst?

Gerd Siegmund: Ja, wobei es nun wahrhaft zeitlich extrem eng wird. Da die Besetzung im Weltcup in Klingenthal so bleibt, müssen jetzt parallel bei den Conti-Cups in Willingen Ergebnisse kommen. Nur dann bestünde noch die Möglichkeit, anschließend in Zakopane im Weltcup eine Qualifikationschance für die WM zu bekommen. 

AVIA: Noch ein kurzes Wort zu Klingenthal. Du kennst im Vogtland die Organisatoren seit vielen Jahren. Was erwartest Du?

Gerd Siegmund: Dass sie einen guten Job machen und die Herausforderung meistern, mit den Nordisch Kombinierten einen Doppel-Weltcup zu stemmen. Leider bin ich erstmals seit es 2007 wieder einen Weltcup in Klingenthal nicht vor Ort, weil ich für das ZDF in Mainz bei der Übertragung mitarbeite. Ich habe aber großes Vertrauen in Alexander Ziron und sein Team. Ich drücke vor allem für schönes Wetter die Daumen. Dann bekommen wir sicher tolle, spannende Wettkämpfe zu sehen. 

Erstellt am:
News: Wintersport
Deutsche AVIA Mineralöl-GmbH