Mit den Tagessiegen von Johann André Forfang (mit 155,5 Metern Schanzenrekord) und Andreas Wellinger sowie Jacqueline Seifriedsberger und Silje Opseth sind die Weltcupwettbewerbe in Willingen zu Ende gegangen. Trotz Dauerregen und Verzögerungen wegen wechselnder Winde gab es jeweils zwei Durchgänge und ein geduldiges Publikum, das sich die Party nicht vermiesen ließ. Unter den Zuschauern befand sich auch AVIA-Skisprungexperte Gerd Siegmund, den wir befragt haben.
AVIA: Hallo Gerd, sind Deine Haare wieder trocken nach dem nassen Wochenende?
Gerd Siegmund: Ja klar, zum Glück sind wir nicht aus Zucker, sonst hätte sich alles aufgelöst. Tatsächlich waren dies Wasserspiele in Willingen. Und großen Respekt und Komplement an die Zuschauer, die sich eine Goldmedaille verdient haben. Sie haben an zwei langen Tagen mit Dauerregen und Doppel-Veranstaltungen mit den Damen für tolle Stimmung gesorgt.
AVIA: Und das Lob wirst Du bestimmt auch an die Organisatoren verteilen, oder?
Gerd Siegmund: Ja, unglaublich, was da geleistet wurde – auch was das Rahmenprogramm und das Festzelt angeht. Das war ganze Arbeit vom Schanzenteam: Spur und Hang haben den Dauerregen überstanden. Das ist gerade bei der Anlaufspur sicher nicht einfach gewesen, wenn man gesehen hat, was an Eis weggeschmolzen ist. Die Jury hat zudem viel Fingerspitzengefühl bewiesen. Es war ein schwere Aufgabe, kein Risiko einzugehen und einen einigermaßen fairen Wettbewerb durchzuziehen.
AVIA: Wird der sportliche Wert nicht geschmälert, wenn der Weltcupführende und Skiflug-Weltmeister im ersten Durchgang ausscheidet?
Gerd Siegmund: Es ist ja normal, dass bei diesen wechselnden Verhältnissen Glück und Pech mit im Spiel sind. Umso wichtiger und gut ist es, dass es immer zwei Durchgänge gegeben hat. Dann gleicht sich manchmal einiges noch aus. Klar, wenn du das Finale verpasst, dann funktioniert das nicht. Dabei kann es auch mal eine Größe wie Stefan Kraft treffen. Letztlich sind aber mit Andreas Wellinger, Johann André Forfang oder Ryoyu Kobayashi keine No-Names vorn gewesen. Und Andreas Wellinger hat auch deutlich gesagt, dass sein 17. Platz am Samstag das Ergebnis ist, wenn man schlecht Ski springt.
AVIA: Wie siehst Du generell die Entwicklung im deutschen Lager nach Andi Wellinger? Haben die Konkurrenten aufgeholt oder Karl Geiger und Pius Paschke nach tollem Saisonstart etwas nachgelassen?
Gerd Siegmund: Ich glaube, es ist eine Mischung aus beidem. Vielleicht ist der eine oder andere Deutsche auch ein wenig von der Schanzencharakteristik abhängig. Insgesamt sollte das Feld enger zusammengerückt sein. Eine schwierige Situation für Stefan Horngacher. Während einer Saison ist es schwierig, im Training etwas zu testen. Es ist jedes Wochenende Wettkampf und daheim bist du vom Wetter und der Schanzenpräparation abhängig. Aber das ist für alle Nationen so.
AVIA: Noch ein Wort zu den Frauen?
Gerd Siegmund: Ja, erfreulich aus deutscher Sicht: Katharina Schmid hat ihr zweites Podest in dieser Saison geholt und bei Selina Freitag geht es zumindest in Einzelsprüngen aufwärts. Dann ist es oft nur eine Frage der Zeit, dass die guten Flüge konstanter kommen. Überhaupt muss ich sagen, wie die Damen diese schwierigen Verhältnisse auf der größten Großschanze der Welt gemeistert haben, zeigt, dass sie sich weiterentwickelt haben.
AVIA: Wobei diese Entwicklung auch schnell mal gestoppt werden kann, wenn Alexandria Loutitt in ihrem letzten Versuch nicht mehr auf den Füßen landet…
Gerd Siegmund: Da ist mir auch fast das Mettbrötchen aus dem Gesicht gefallen. Ihr ist das ähnlich bereits in Klingenthal beim Sommer-Grand-Prix-Finale passiert. Der Sturz ging damals glimpflich ab. Sie verdreht manchmal in der ersten Flugphase leicht ihre Schultern. Wenn sich der Ski nur wenig anstellt, kann auch schnell mal die Luft von oben auf die Bretter drücken. Zum Glück hat sie gut reagiert und die Beine lang gelassen. So konnte sie einen schweren Sturz verhindern. Das war einer Weltmeisterin würdig.
AVIA: Danke fürs Gespräch.