Dreikampf um Skiflug-Gold bei der Skiflug-WM in Planica

Ein turbulentes Wochenende erlebten die Skispringer im russischen Nischni Tagil. Wir haben unseren Experten Gerd Siegmund zum Wind-Drama um Markus Eisenbichler, zu leider erneut positiven Coronafällen und zu seinen Favoriten für die bevorstehende Skiflug-WM in Planica befragt.


AVIA: Hallo Gerd, zunächst mal die Frage: Warum hat Deutschland sein Kontingent von sieben Springern beim Weltcup in Nischni Tagil nicht ausgeschöpft?

Gerd Siegmund: Als die Entscheidung getroffen wurde, dass Karl Geiger nicht mit nach Russland fliegt, um seine Frau bei der Geburt ihres ersten Kindes zu unterstützen, war es einfach zu spät. Schon am Montag ging es von Rovaniemi mit dem Charterflug in Richtung Nischni. Da war die Zeit zu knapp, um womöglich einen Richard Freitag nachzuholen. Das ist halt in diesen Zeiten der Charterflüge nicht so einfach.

AVIA: Fast so schwierig, wie sich die Corona-Lage nach wie vor darstellt?

Gerd Siegmund: Aus Sicht der Österreicher auf jeden Fall. Dass sie mit Weltcupgesamtsieger Stefan Kraft und weiteren Athleten betroffen sind, ist schon Wahnsinn. Immerhin hatten sie den ersten Teamwettbewerb der Saison in Wisla noch gewonnen. Diese Vorzeichen haben sich nun komplett geändert. Keiner weiß so richtig, ob und mit wem diese so erfolgreiche Skisprungnation in Planica zur WM antreten wird.

AVIA: Und den Chef des Ganzen hat es auch erwischt. Wie ist das zu kompensieren?

Gerd Siegmund: In Nischni haben sich am Sonntag Borek Sedlák vom Weltverband FIS, der an der Ampel sitzt, und der Technische Delegierte des Wettkampfes die Aufgaben des Renndirektors geteilt. So eine ähnliche Lösung sehe ich jetzt auch für Planica. Am Samstag war Sandro Pertile ja noch an der Schanze in seiner Funktion tätig, ehe der positive Befund kam. Echt ärgerlich.

AVIA: Am ersten Tag gab es eine andere Dramatik. War beim Absturz von Markus Eisenbichler nur der böige Wind schuld?

Gerd Siegmund: Klares ja. Er hatte keine Chance – leider. Obwohl es mittlerweile ein riesiges Netz an der Schanze gibt, kann dies passieren. Das ist in Nischni Tagil auch ein bisschen der Charakteristik der Schanze geschuldet. Meistens bläst der Wind dort von hinten, weht am Netz vorbei und kommt von unten als Aufwind wieder. Aber wenn sich das Segel mal so richtig vollgesaugt hat, kann es auch überschwappen und es auf den ersten 40 Metern sehr turbulent werden. Aber im Grunde ist die Anlage gut geschützt durch das Segel, sonst könnten dort wohl selten Skispringen stattfinden.

AVIA: Wie schwer ist es für einen Athleten, so einen völlig missratenen Sprung wie bei Markus Eisenbichler als Windmalheur abzuhaken?

Gerd Siegmund: Das ist nicht so einfach. In dieser Topform, in der er angereist war und die er auch im ersten Sprung wieder gezeigt hat, fühlst du dich wie in einer Rüstung, also unverletzlich. Und dann so ein Absturz. Das holt einen schon erst mal wieder ein bisschen zurück. Das hat man auch am Sonntag gesehen. Da ist Markus zwar auch wieder super gesprungen, aber die letzten zwei, drei Prozent haben aus der Erfahrung des Vortages gefehlt. Deshalb war es gut, dass es noch einen Wettkampf gab, als mit so einem Sprung und einem negativen Gefühl zur WM abzureisen.

AVIA: Stichwort Skiflug-WM in Planica. Wen und wie würdest Du als Bundestrainer nominieren?

Gerd Siegmund: Ich denke mal, mit Eisenbichler, Karl Geiger und Pius Paschke werden drei Springer - entsprechend ihren Leistungen im bisherigen Winter - gesetzt sein. Der vierte Platz für die Qualifikation am Donnerstag wird sich im freien Training, an dem sechs Aktive startberechtigt sind, am selben Tag entscheiden. Das wird spannend, wer sich aus dem Trio Severin Freund, Constantin Schmid und Martin Hamann letztlich durchsetzt. Für Martin ist es schon ein Erfolg, mit in der Auswahl zu sein.

AVIA: Traust Du Martin den Sprung ins deutsche Quartett zu?

Gerd Siegmund: Ja, und das nicht nur, weil es sicher auch für AVIA schön wäre. Martin Hamann hat schon bei seinem ersten Weltcupfliegen in Oberstdorf mit 224 Metern überzeugt. Ich glaube an ihn.

AVIA: Wir natürlich auch, er hat sich über den Sommer super entwickelt und beeindruckende Sprünge gezeigt! An wen glaubst Du, was die Medaillen angeht?

Gerd Siegmund: Mannschaftlich sind die Norweger, die mit Titelverteidiger Daniel Andre Tande fünf Starter stellen können, klarer Topfavorit. Für das Einzel sage ich mal, dass es einen Dreikampf zwischen Markus Eisenbichler, Halvor Egner Granerud und Robert Johansson geben wird. Ich bin auf jeden Fall gespannt.

AVIA: Das sind wir auch. Danke für das Interview.

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News: Wintersport
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