Timi Zajc und Domen Prevc heißen die Sieger des Skiflugwochenendes in Oberstdorf. Und trotzdem war nicht alles eitel Sonnenschein im Allgäu bei den Slowenen. Eine Anzugdiskussion ist nach mehreren Disqualifikationen im Gange. AVIA hat mit Skisprungexperte Gerd Siegmund über das erste Fliegen in diesem Winter gesprochen.
AVIA: Hallo Gerd, du warst im Allgäu vor Ort. Wie lautet deine Einschätzung?
Gerd Siegmund: Die Slowenen haben ihr spezielles Können beim Fliegen gezeigt, und ein starker Johann André Forfang hat sich an ihnen die Zähne ausgebissen. Man sieht, dass Springer wie Timi Zajc oder Domen Prevc beim Fliegen eben das besondere Gespür für die Luft haben. Allerdings muss man auch sagen, dass die Siege einen kleinen Beigeschmack haben.
AVIA: Du sprichst die Disqualifikationen an?
Gerd Siegmund: Ja, Anze Lanisek und Lovro Kos waren nur zwei von mehreren Disqualifikationen. Auch Stefan Kraft hat es erwischt. Diese Dinge hinterlassen viel Interpretationsspielraum und damit Diskussionen, die der Sportart nicht guttun.
AVIA: Was glaubst du, sind die Gründe dafür?
Gerd Siegmund: Genau kann ich das auch nicht sagen. Da lässt sich kein Team in die Karten schauen. Vielleicht wird bereits in Richtung WM in Trondheim noch etwas probiert. Mit Lanisek habe ich auch gesprochen. Er war überrascht, dass zwischen Naht von Ober- und Unterteil des Anzuges bis zum Schritt gemessen wurde. Das wäre neu gewesen. Bei Kos war der Anzug, also das Rundummaß, einfach zu groß.
AVIA: Wie kann denn ein Anzug, der vorher angemeldet werden muss und dabei vom Weltverband nach den vorgeschriebenen Werten kontrolliert wird, dann plötzlich wie bei Stefan Kraft nicht mehr genügend luftdurchlässig sein.
Gerd Siegmund: Diese Frage kann ich nicht beantworten. Ich weiß, dass die Teams selbst Prüfgeräte in ihren Containern haben. Und bei Stefan war es keine Kleinigkeit, was bei der Durchlässigkeit nicht gepasst hat. Entweder ist der Anzug bei der Vorkontrolle durchgerutscht. Denn es gibt auch die Möglichkeit, vor der Prüfung den Anzug ein bisschen zu dehnen, damit er erst mal durch die Kontrolle kommt. Den Anzug zu nadeln, wie es früher gemacht wurde, um das Teil gegebenenfalls luftdurchlässiger zu machen, ist nicht mehr erlaubt.
AVIA: Klingt nach dem tapferen Schneiderlein. Wie tapfer haben sich aus deiner Sicht die Deutschen beim Heimspiel geschlagen?
Gerd Siegmund: Leider ist das Normale eingetreten. Denn wenn es zuvor nicht rundläuft, ist es eher die Ausnahme, dass es dann in der Königsdisziplin beim Fliegen plötzlich funktioniert. Wir sind einfach zu weit weg vom Podest. Jeder hat individuell seine Baustelle. Bei Karl Geiger kann man sagen: okay. Aber als Ex-Skiflugweltmeister will er natürlich auch in die Top drei. Pius Paschke kommt sehr flach über den Hang. Und Andi Wellinger bringt noch nicht richtig Druck an die Schanzentischkante. Deshalb kommt er noch nicht optimal ins Fliegen.
AVIA: Was ist dir noch aufgefallen?
Gerd Siegmund: Schön, dass Pawel Wasek als Vierter die Polen im Spiel hält und der Mannschaft Auftrieb gibt. Auch Marius Lindvik hat mich überrascht. Er wirkte Sonntag wie ausgewechselt. Tate Frantz gehört ebenso zu jenen, die sich beim Fliegen Selbstvertrauen geholt haben.
AVIA: Und die deutschen Damen liefern weiter ab…
Gerd Siegmund: Ja, das war echt top in Zao. Mit Platz eins im Superteam hat sich bestätigt, dass wir mit Agnes Reisch eine dritte Springerin, die aufs Podest fliegen kann, haben. Bisschen überraschend war, dass Katharina Schmid auf der kleinen nicht so gut zurechtgekommen ist. Umso mehr bin ich gespannt auf Willingen, wo es auf der größten Großschanze der Welt auch einen Mixedwettbewerb geben wird. Vielleicht können die Damen unsere Herren zu Höchstleistungen anstacheln.
AVIA: Danke fürs Gespräch.