Für die Damen ist in Lahti die Saison zu Ende gegangen, mit dem fast schon standesgemäßen Ausgang: Nika Prevc siegt vor Selina Freitag. Auch bei den Herren dominierten die Slowenen im finnischen Mekka mit dem Doppelerfolg von Anze Lanisek im Einzel und mit Lovro Kos im Super-Team. Darüber und warum Gerd Siegmund – anders als Janne Ahonen und Toni Nieminen - ein Comeback kategorisch ausschließt, haben wir mit unserem Skisprungexperten gesprochen.
AVIA: Hallo Gerd, wie schätzt du das Wochenende ein?
Gerd Siegmund: Lahti hat sich von seiner besten Seite präsentiert. Wann hat es das schon mal gegeben: vier Tage schönes Wetter und kaum Verzögerungen wegen des Windes. Das war schön anzusehen, gerade nach den Turbulenzen in Vikersund.
AVIA: Und die Damen haben es schon ins Ziel gebracht. Wie schätzt du deren den Winter ein?
Gerd Siegmund: Tatsächlich gibt es fast kein Superlativ mehr für die überragende Athletin, die Nika Prevc war. Selina Freitag hat es sehr gut ausgedrückt, als sie sagte, sie sei die Beste vom Rest. Prevc hat die Rekorde von Sara Takanashi mit zehn Siegen am Stück und 15 insgesamt in einer Saison eingestellt. Sie hat die Two-Nights- und die Raw-Air-Tour, den Gesamtweltcup und zwei WM-Titel gewonnen. Das sagt alles.
AVIA: Und aus deutscher Sicht? Hat es da eine Wachablösung gegeben?
Gerd Siegmund: In diesem Winter schon. Selina Freitag ist die beste Saison ihrer Karriere gesprungen. Großen Respekt für ihre Leistung, die sogar noch zu steigern ist, wenn sie weiter an ihrer Telemarklandung arbeitet. Was Katharina Schmid angeht, muss man mal ihre Entscheidung abwarten. Mein Gefühl sagt mir, dass sie die Olympiasaison noch mitnimmt. Wenn nicht, wäre das für die Mannschaft schon eine Schwächung. Sie ist immerhin die Dritte im Gesamtweltcup geworden. Insgesamt war das ein sehr gelungener Einstand des neuen Bundestrainers Heinz Kuttin, der gleich mal die Nationenwertung mit den Mädels geholt hat. Da kann man nur gratulieren.
AVIA: Kommen wir zu den Herren. Das Finale furioso in Planica ruft und die Slowenen fliegen auf die Erfolgswelle. Oder wie beurteilst du das vorletzte Weltcupwochenende?
Gerd Siegmund: Anze Lanisek hatte schon zuvor in der Saison immer mal einen Topsprung. Nun hat er zwei gezeigt, und das macht es eben aus. Dass es dann noch zum Sieg im Super-Team reicht, lässt die Vorfreude auf das Fliegen in Planica nochmal ansteigen. Das wird eine Wahnsinnsatmosphäre, vor vollem Haus. Ich hoffe, dass ein grandioser Saisonabschluss wenigstens ein bisschen den Schaden, den die Sportart durch den Anzugskandal bei der WM erlitten hat, kitten kann.
AVIA: Noch ein Wort bitte zu den deutschen Ski-Adlern. Wie hast du sie gesehen?
Gerd Siegmund: Im Einzel war das auch ohne den Podestplatz mit den Rängen 5, 6, 12 und 13 eine mannschaftlich gute Leistung. Gerade für Andreas Wellinger sehe ich eine gute Möglichkeit, den Winter sehr erfolgreich mit einem Podium abzuschließen.
AVIA: Hat sich deine skeptische Haltung zum Superteam-Event nach Lahti etwas geändert?
Gerd Siegmund: Nein, ich finde den Wettbewerb nicht spannender als den Teamwettkampf mit vier Athleten. Ich würde ihn nicht vermissen, wenn er im Weltcup rausfällt. Österreich hat in Lahti nach dem Ergebnis des Einzels aufgestellt. Und wenn bei einem Wettkampf die Nummer 1 und 2 fehlen, sagt das doch alles aus.
AVIA: Apropos Daniel Tschofenig und Jan Hörl. Wen siehst du im Kampf um die große Kugel im Gesamtweltcup mit den besseren Karten?
Gerd Siegmund: Obwohl ich Hörl vielleicht einen Tick besser als Tschofenig im Fliegen einschätze, sind 114 Zähler bei noch 200 zu vergebenen Punkten doch viel. Man muss bedenken: Die Slowenen, Ryoyu Kobayashi oder Stefan Kraft sind absolut stark in dieser Disziplin, und die fetten Punkte gibt es eben für die ersten drei Plätze.
AVIA: Okay. In Lahti haben sich die finnischen Ex-Stars Janne Ahonen und Toni Nieminen ein Comeback-Duell geliefert. Warum warst du nicht am Start?
Gerd Siegmund: Weil ich an meinem Leben hänge und gern noch ein bisschen weiter für AVIA die Skisprungszene beleuchten würde …
AVIA: Das hören wir gern. Danke fürs Gespräch.