Das norwegische Mixedteam, Eirin Maria Kvandal und zweimal Daniel Tschofenig hießen die Sieger beim Weltcup in Willingen. Im Upland gab es aber auch einen handfesten Skandal und einmal mehr Enttäuschung im deutschen Lager. Genug Stoff also, um bei Skisprungexperte Gerd Siegmund nachzufragen.
AVIA: Hallo Gerd, fangen wir mal mit einer nicht so schönen Geschichte an. Was sagst du zum Auftritt von Timi Zajc nach dessen Qualifikation im Mixedteam?
Gerd Siegmund: Ein absolutes No-Go. Zu sagen, er wurde disqualifiziert, damit Deutschland beim Heim-Grand-Prix auf dem Podest steht, geht gar nicht. Damit greift er die Mitarbeiter des Skiweltverbandes an. Man sollte darüber nachdenken, solche verbalen Entgleisungen künftig zu sanktionieren.
AVIA: Offenbar bleibt der Anzug ein zentrales Thema, oder?
Gerd Siegmund: Ja, leider. Ich habe gedacht, oder vielleicht mehr gehofft, dass mit dem Fliegen in Oberstdorf der Höhepunkt der Materialdiskussion erreicht ist. Doch da habe ich mich wohl getäuscht. Der Chefkontrolleur Christian Kathol versucht sein Bestes, die wieder in die Gänge gekommenen Materialauslegungen einzufangen. Aber jeder versucht, ans Limit zu gehen. Manchmal sind die Springer einen Schritt drüber.
AVIA: Was zur Folge hat, dass im Skispringen entweder über Wind oder Anzüge diskutiert wird, wenn es um Siege geht?
Gerd Siegmund: Ja, deshalb hoffe ich, dass die Disqualifikationen bei den kommenden Springen in Lake Placid und Japan zurückgehen und mit Blick auf die WM in Trondheim der Sport wieder in den Vordergrund rückt. So ein Déjà-vu wie bei Olympia in Peking braucht die Sportart nicht. Damals betraf es im Mixedwettbewerb die Damen.
AVIA: Apropos Sport, wie bewertest du die Ergebnisse von Willingen?
Gerd Siegmund: Die Norweger werden immer stärker. Die Damen waren sogar dominant, gehören bei der Heim-WM zu den Topfavoritinnen in allen Wettbewerben. Bei den Männern sind die Österreicher, ist vor allem Daniel Tschofenig weiter bärenstark. Er fliegt mit einer Leichtigkeit wie sie zu Saisonbeginn bei Pius Paschke zu erleben war.
AVIA: Und nun nicht mehr zu erleben ist - warum?
Gerd Siegmund: Das kann ich im Detail nicht beantworten. Ich sehe nur, wir fliegen einfach nicht. Ich sehe keine komplett schlechten Absprünge von unseren Athleten, gerade, wenn ich Andreas Wellinger in der Zeitlupe betrachte. Aber wir fliegen einfach nicht. Das muss man genau analysieren. Ich denke, dass jetzt im deutschen Team echtes Krisenmanagement gefragt ist.
AVIA: Mit Blick auf Pius Paschke hat Bundestrainer Stefan Horngacher bereits reagiert. Was sagst du dazu?
Gerd Siegmund: Die Entscheidung, ihn beim Weltcup in Lake Placid herauszunehmen, ist aus meiner Sicht richtig. Man sollte bei aller Enttäuschung aber kühlen Kopf bewahren. Ich denke, da ist mit Blick auf die WM in Trondheim noch was zu retten. Vielleicht bringt es ja was, eine Woche mal gar keine Schanze zu sehen. Allerdings ist auch nicht mehr viel Zeit. Nach Lake Placid und Sapporo steht die WM schon vor der Tür.