AVIA: Hallo Gerd, kaum zu glauben für manch einen in Deutschland, dass der Weltcup überhaupt stattfinden konnte. Wie hast Du das Event vor Ort erlebt?
Gerd Siegmund: Die Organisatoren haben regelrecht dafür gekämpft, dass die Schanze rechtzeitig fertig geworden und mit ausreichend Schnee belegt worden ist. Die Anlage war glänzend präpariert, zum Glück wurde es abends auch bisschen kälter.
AVIA: Und der Wind, das himmlische Kind? Hat er die Wettkämpfe sehr beeinflusst?
Gerd Siegmund: Natürlich hat man gesehen, dass ein Luftzug auf einer Flugschanze bei der höheren Geschwindigkeit noch einmal größere Auswirkungen hat. Entsprechend waren die Wettbewerbe von der Anlauflänge her auch schwierig zu steuern. Die vielen Gate-Wechsel ließen sich aber nicht vermeiden. Ich denke, das Wettkampfmanagement hat seine Sache insgesamt gut gemacht. Es gab drei spannende Wettbewerbe.
AVIA: Letztlich gab es kaum Überraschungen, was die Sieger und Platzierten angeht, oder?
Gerd Siegmund: Dass die Slowenen im Fliegen eine Macht sind, wissen wir. Dennoch war für mich schon Peter Prevc die Überraschung des Wochenendes. Dass er zweimal Zweiter wird, konnte man nicht unbedingt erwarten. Ich denke, dass er jüngst seinen Rücktritt am Saisonende bekannt gegeben hat, hat ihn noch einmal lockerer gemacht und beflügelt.
AVIA: Bei Prevc also Ende gut, alles gut?
Gerd Siegmund: Ja, Stefan Kraft hat ihm leider nicht gegönnt, noch einmal ganz oben zu stehen. Aber es ist dennoch cool anzuschauen, wie der Altmeister noch einmal aufblüht. Er wollte bereits nach der letzten Saison mit der Heim-WM in Planica seine Karriere beenden. Weil er dort aber im Training gestürzt war, hat er sich gesagt: So kann ich nicht aufhören. Es war die richtige Entscheidung.
AVIA: Was denkst Du, ist Stefan Kraft mit 269 Zählern vor Ryoyu Kobayashi und 368 vor Andreas Wellinger überhaupt noch die große Kristallkugel zu nehmen?
Gerd Siegmund: Na im Ziel ist er noch nicht. Aber wenn alles normal läuft, der Rücken keine Probleme mehr bereitet, sollte er den Gesamtweltcup nach Hause bringen. Es sind aber in zehn Wettbewerben noch 1000 Punkte zu vergeben. Es ist schon eine gewaltige Saison, die er da hinlegt.
AVIA: Wie schätzt Du die Leistungen der deutschen Ski-Adler ein?
Gerd Siegmund: Den richtigen Schlüssel hat Andi Wellinger diesmal nicht ganz gefunden. Der extrem steile Anlauf mit dem kurzen Schanzentischradius hat den Athleten generell einige Schwierigkeiten bereitet. Diese Profile sind die Athleten nicht mehr gewöhnt. Und auf Skiflugschanzen darf nicht trainiert werden. Aber unter dem Strich steht trotzdem: Andi springt seine beste Saison, er gehört zur absoluten Weltklasse. Wir können froh sein, dass wir ihn haben.
AVIA: Du spielst auf den Rest der Mannschaft an?
Gerd Siegmund: Ja, dahinter sieht es leider nicht so gut aus. Die Probleme hatten sich schon bei der Skiflug-WM am Kulm angedeutet. Umso mehr bin ich gespannt, ob jetzt in Lahti neue Gesichter im deutschen Team auftauchen werden. Constantin Schmid hat über den Continentalcup einen zusätzlichen Quotenstartplatz für Deutschland geholt. Ich gehe davon aus, dass wir ihn in Finnland und bei der Raw-Air-Tournee in Norwegen sehen werden. Vielleicht bekommt auch ein Youngster wie Adrian Tittel, der bei der Junioren-WM drei Medaillen gesammelt hat, mal eine Chance.
Danke fürs Gespräch.