AVIA-Skisprungexperte Gerd Siegmund über ein neues Format
Superteam-Wettkampf? „Den kann man mal machen“
Ryoyu Kobayashi segelt weiter auf der Erfolgswelle. Andreas Wellinger fliegt auf Augenhöhe mit dem Japaner. Und die erste Absage gab es auch in diesem Winter: Die Premiere der Polen-Tour bestätigte den Ausgang der Vierschanzentournee, bot in Wisla mit dem Format des neuen Superteam-Wettbewerbes und dem Abbruch des Normalschanzen-Einzels in
Szczyrk aber auch viel Gesprächsstoff. Grund genug, bei unserem Experten Gerd Siegmund nachzufragen.
AVIA: Hallo Gerd, was hat es mit der Polen-Tour auf sich?
Gerd Siegmund: Ich finde das Format spannend. Die besten zwei Flüge, egal von welchem Springer einer Nation, kommen aus den Wettkämpfen und den Qualifikationen der drei Stationen in die Gesamtwertung. Für die beste Mannschaft gibt es am Ende ein Extrapreisgeld von 50.000 Euro.
AVIA: Wie findest Du das neue Format des Superteam-Wettbewerbes?
Gerd Siegmund: Zwiespältig. Klar will der Weltverband den kleineren Nationen, die nur zwei starke Springer an den Start bringen können, die Chance geben, ganz vorn mitzumischen. Andererseits fehlen dem eingefleischten Skisprungfan auch prominente Namen im Feld. Zum Beispiel Pius Paschke und Karl Geiger, im Weltcup aktuell Fünfter und Sechster, waren nicht dabei. Deshalb sehe ich das Superteam mit einem lachenden und weinenden Auge. Zumal: Sollte sich das Format bei Olympia durchsetzen, würden auch nur zwei statt bisher vier Sportler auf den ersten drei Plätzen mit Medaillen belohnt werden.
AVIA: Wie findest Du den Ablauf des Superteam-Wettkampfes?
Gerd Siegmund: Die Spannung ist da. In drei Sprüngen kann viel passieren. An den Ablauf müssen sich wohl alle erst gewöhnen, wie das Novum einer Disqualifikation wegen „unsportlichen Verhaltens“ beim Italiener Giovanni Bresadola gezeigt hat. Man darf zwischen den Durchgängen nicht in den Container und auch nicht den Anzug wechseln. Die Skipräparation erfolgt in einem Zelt. Es muss alles zügig gehen bei drei Sprüngen.
AVIA: Wie bewertest Du das Ergebnis beim Einzel in Wisla?
Gerd Siegmund: Es sagt mir, dass bei der Tournee nicht die Falschen auf dem Podest standen. Klar, Ryoyu Kobayashi fliegt weiter auf der Erfolgswelle. Hinter ihm haben Stefan Kraft und Andi Wellinger nur die Plätze der Tournee-Gesamtwertung getauscht. Offenbar haben die drei nicht so viele Körner bei der Tournee gelassen. Ich kann mir gut vorstellen, dass sich dieses Trio einen spannenden Dreikampf um die große Kristallkugel im Gesamtweltcup liefern wird.
AVIA: Die Schanze in Wisla wurde umgebaut. Hat sich das gelohnt?
Gerd Siegmund: Ja, doch. Schanzentisch und Auslauf sind flacher geworden. So konnte Andi Wellinger den Schanzenrekord bei 144,5 Metern auch stehen. Ich denke, dass dieser Rekord eine ganze Weile halten wird. Der Umbau hat sich bezahlt gemacht.
AVIA: Dann können die Polen jetzt noch in Szczyrk ein Windnetz anschaffen, oder?
Gerd Siegmund: Das hätte an dem Tag vermutlich auch nichts gebracht. Die Entscheidung, zehn Springer vor Ende des ersten Durchgangs abzubrechen, war richtig. Die Sicherheit der Athleten muss immer Vorrang haben. Die Windturbulenzen sind für die Jury nicht mehr zu steuern gewesen. Gerade für die Polen ist das sehr ärgerlich, da sie in diesem Winter gebeutelt sind und bis zum Abbruch gut platziert waren. Aber es gibt am Wochenende in Zakopane eine neue Chance.
AVIA: Danke fürs Gespräch.