Auftakt macht Lust auf mehr

Vor dem Sprungwochenende in Lillehammer sprachen wir mit unserem Skisprungexperten Gerd Siegmund über den Topstart der DSV-Adler:


Was für ein Einstand in den Weltcupwinter: Drei von sechs möglichen Podestplätzen belegten die deutschen Ski-Adler von Bundestrainer Stefan Horngacher. Dazu kamen mehrere Top-Platzierungen. Vor den anstehenden Springen in Lillehammer, wo die AVIA als Hauptsponsor präsent ist, haben wir bei unserem Experten Gerd Siegmund nachgefragt.

AVIA: Gerd, man möchte meinen, die Jungs von Stefan Horngacher haben Deine Prognose im AVIA-Interview vor dem Weltcupauftakt gut gelesen und sich um eine perfekte Umsetzung bemüht…
Gerd Siegmund: Wenn es nur immer so einfach wäre… Aber Spaß beiseite. Es war wirklich beeindruckend für mich: Ich habe selten so eine geschlossen starke deutsche Mannschaft zu einem Weltcupauftakt - wann und wo auch immer – gesehen. Andreas Wellinger hatte ja zuvor gesagt, als alle auf einem ähnlichen Niveau gesprungen sind: „Entweder sind wir alle gemeinsam schlecht oder wir sind gemeinsam gut .“ Zum Glück ist das Zweite eingetreten.

AVIA: Hat Dein fachliches Auge Unterschiede zum Vorwinter bei den Deutschen erkannt?
Gerd Siegmund: Dass wir abspringen können, hat die WM in Planica mit Silber und Bronze auf der Normalschanze bewiesen. Das Problem war letztes Jahr meiner Meinung nach das Fliegen. Gerade die vergangene Saison hatte aufgezeigt, dass es auch wieder eine aktive Flugphase gibt, in der man die Meter machen muss. Und daran hat man im Sommer akribisch gearbeitet, u. a. im Windkanal in Stockholm. Oder wenn ich an Andi Wellinger denke, der mit Pierre Heinrich einen erfahrenen Skibauer hat, mit dem er sehr viel getüftelt und ausprobiert hat, um wieder ins Fliegen zu kommen. Aber das sind nur zwei Beispiele.

AVIA: Glaubst Du, dass es vor allem ein Kniff im Material ist, der das Team vorangebracht hat?
Gerd Siegmund: Nein, die Passform des Anzuges und da vor allem das Schrittmaß ist zwar ein entscheidender Faktor, aber ich gehe da nicht mit Sven Hannawald mit, dass die neue Vermessungsmethode der Athleten - die übrigens in Ruka alle noch einmal mit einem von der FIS gestellten Einheitsschlüpfer neu vermessen wurden - für den Aufschwung gesorgt hat. Das ist mir zu einfach. Das wird auch den Athleten und Trainern nicht gerecht, die nach dem schlechten Abschneiden letztes Jahr einen Plan hatten, um wieder Weltspitze zu werden. Es gab auch weitere Änderungen, auf die es sich über den Sommer einzustellen hieß, wie zum Beispiel der Umfang der Anzüge, die Standhöhe vom Schuh und Keil wurde von 7 auf 5 cm reduziert oder auch das Flourwachsverbot.

AVIA: Wo siehst Du tatsächlich den Schlüssel zum Erfolg?
Gerd Siegmund: Da sind sicher viele Puzzleteile, die ineinandergreifen. Ein entscheidender Faktor ist sicher auch die Verpflichtung von Ronny Hornschuh als verantwortlicher B-Kader-Trainer gewesen. Allein wenn ich Pius Paschke und Stephan Leyhe sehe: Sie haben erst einmal die Aufgabe angenommen, nur noch dem B-Kader anzugehören und sich über den Conti-Cup für den Weltcup qualifiziert. Das ist auch eine Energieleistung. Skispringen ist nicht mehr nur, auf dem Rücken liegen und wer am besten hungert und leicht ist, hat den Erfolg. Diese Zeiten sind vorbei. Da stecken viel Ehrgeiz und Arbeit dahinter.

AVIA: Wir haben auch erst ein Wochenende hinter uns: Was sagst Du insgesamt zur deutsch-österreichischen Dominanz?
Gerd Siegmund: Mit Blick auf die Vierschanzentournee macht das natürlich Lust auf mehr. Ich denke aber, dass gerade die Norweger am kommenden Wochenende zu Hause in Lillehammer auch wieder ein Wörtchen mitreden werden. Die Slowenen und Polen können sicher zulegen. Stefan Kraft war aber in seiner derzeitigen Form in Ruka einfach unschlagbar.

AVIA: Die großen Nationen haben einen Startplatz weniger seit diesem Winter? Wie findest Du das?
Gerd Siegmund: Das muss man mal abwarten. Aber für die kleineren Nationen ist es sicher eine gute Sache. USA und Italien haben zum Auftakt gepunktet. Es ist gut für die Sportart, wenn möglichst viele Länder mitspielen.

AVIA: Und nun steigen auch die Damen ins Weltcupgeschehen ein.
Gerd Siegmund: Ich denke, dass die Frauen den Auftakt in Ruka genau verfolgt haben. Aus deutscher Sicht würde ich mir Parallelen zu den deutschen Herren wünschen, wenngleich die Vorzeichen mit dem Beginn auf der Normalschanze andere sind. Große Überraschungen erwarte ich nicht. Selina Freitag und Katharina Schmid sind unsere zwei besten Springerinnen. Ich hoffe, dass sich die eine oder andere in ihrem Sog in den Top 15 etabliert. Die Frage ist auch, ob oder wie sich der Rücktritt von Maximilian Mechler als Bundestrainer so kurz vor dem Saisonstart auswirken wird.

Danke Gerd, für das Gespräch.

 

Programm Lillehammer:

01.12.2023 17.00 Uhr Qualifikation HS 98 Herren
01.12.2023 20.00 Uhr Qualifikation HS 98 Damen
02.12.2023 12.00 Uhr Wettbewerb HS 98 Damen (ZDF/EUROSPORT)
02.12.2023 16.10 Uhr Wettbewerb HS 98 Herren (ZDF/EUROSPORT)
03.12.2023 12.30 Uhr Wettbewerb HS 140 Damen (ZDF/EUROSPORT)
03.12.2023 17.00 Uhr Wettbewerb HS 140 Herren (ZDF/EUROSPORT)

Erstellt am:
News: Wintersport
Deutsche AVIA Mineralöl-GmbH