AVIA: Hallo Gerd, wie hast Du Planica zum Abschluss vor Ort erlebt?
Gerd Siegmund: Als überragende Veranstaltung. Klar gab es am Freitag die Absage wegen Windes; dafür haben dann der Samstag und Sonntag für alles entschädigt. Skifliegen in Planica bei so einem Traumwetter ist einfach die beste Veranstaltung im ganzen Skisprungzirkus. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass an einem Flugtag so viele Zuschauer gekommen waren wie zuvor in zwei Wochen während der gesamten Weltmeisterschaft. Einfach phänomenal!
AVIA: Und die heimischen Springer haben die Party beflügelt. Wie lautet Deine sportliche Einschätzung des Saisonfinales?
Gerd Siegmund: Das war einfach spektakulär. Die Slowenen mit Timi Zajc und Anze Lanisek an der Spitze mussten sich im Team zwar knapp den Österreichern geschlagen geben, aber im Einzel haben sie dann eindrucksvoll mit den Rängen eins, zwei und vier zurückgeschlagen. Das war spektakulär, auch wie viele fantastische Flüge es gab. Planica sollte den Fans noch lange in Erinnerung bleiben und die skisprungarme Zeit im Sommer gut überbrücken.
AVIA: Hat sich das deutsche Flugproblem wie schon zuvor in Vikersund nun auch in Planica gezeigt?
Gerd Siegmund: Ja schon, in so kurzer Zeit kann man auch nicht das Unterste zuoberst kehren. Die Defizite sind sichtbar gewesen, das spiegeln letztlich auch die Ergebnisse und Rang fünf im Team wider. Wobei man auch differenzieren sollte: Ein Felix Hoffmann hat sein unbekümmertes Auftreten vom ersten Flugtag nicht wiederholen können, hat aber eine Empfehlung für die Zukunft abgegeben. Aber gerade die finalen 240-m-Flüge von Markus Eisenbichler und Andreas Wellinger sind hoffentlich ein Fingerzeig gewesen, dass sie doch ganz vorn dabeisein können.
AVIA: Die WM-Medaillen auf der Normalschanze und das Gold im Mixedteam in Planica haben die Saison für den Bundestrainer etwas gerettet. Es wurde aber Kritik an Stefan Horngacher laut. Ist er noch der richtige Chefcoach im deutschen Skispringen?
Gerd Siegmund: Schwierige Frage: Platz fünf im Nationencup ist nicht der Anspruch, den wir haben sollten. Demnächst gibt es eine große Saisonauswertung. Stefan Horngacher hat angekündigt, dass er weitermacht und vieles ändern will. Zumindest hat er am Ende der Saison mal paar jüngere Leute wie eben Hoffmann oder Justin Lisso ins Weltcupteam eingebaut. Auch Philipp Raimund hat sich in der Saison positiv in Szene gesetzt. Die Frage ist, ob das aktuelle Trainerteam mit Horngacher, Michal Dolezal, Bernhard Metzler und Paul Winter die Sportler noch motivieren kann.
AVIA: Also glaubst Du, dass Stefan Horngacher weitermacht?
Gerd Siegmund: Das würde ich nicht unterschreiben. Dass er es selbst will, heißt noch nicht, dass es der Deutsche Skiverband auch so sieht. Auch wenn es spekulativ ist und keiner über Vertragsinhalte redet, besitzt Stefan Horngacher zwar einen unbefristeten Vertrag mit dem Verband, aber der sieht wohl nicht unbedingt den Bundestrainerposten vor. Zudem denke ich auch, dass der DSV finanziell nicht auf Rosen gebettet ist. Ich hoffe nur, dass der Verband Ronny Hornschuh als Trainer ins deutsche System zurückholt. Er hört bei den Schweizern als Nationaltrainer auf, hat eine hohe Qualifikation und wäre sicher ein Gewinn für das deutsche Skispringen.
AVIA: Wie beurteilst Du generell diese Mammutsaison im Skispringen?
Gerd Siegmund: Es war für jede Nation was dabei. Die Slowenen haben auf der Großschanze bei der WM im eigenen Land abgeräumt. Die Polen haben mit Piotr Zyla den Titel auf der Normalschanze verteidigt. Die Norweger stellen mit Halvor Egner Granerud den Weltcup-Gesamtsieger und Gewinner der Raw-Air-Tournee. Österreich siegt am Ende im Nationencup und stellt mit Stefan Kraft den besten Skiflieger des Winters. Nehmen wir die Damen dazu, hat Kanada erstmals überhaupt in der Historie einen WM-Titel geholt.
AVIA: Was glaubst Du, wird oder muss sich im nächsten Sommer bzw. dann im Winter auf dem Materialsektor ändern?
Gerd Siegmund: Ich denke, da muss was passieren. Gerade auf den Flugschanzen ist die Anlauflänge kaum noch zu kalkulieren, weil ein Hauch Rücken- oder Aufwind große Unterschiede bedeuten. Es laufen einige Tests, was die Messung der Anzüge angeht. Es wurde mit 3D-Scannern probiert, die Manipulationen erschweren sollen. In jedem Fall müssen verschiedene Messdaten, auch über den Anzug hinaus, transparent sein. Und es sollte was getan werden, dass die kleinen Nationen weniger benachteiligt sind, weil sie sich nicht zig Anzüge im Jahr leisten können
AVIA: Danke für deine interessanten Beiträge, Gerd!