AVIA: Hallo Gerd, Skispringen im Winter und dabei landen auf Matten. Wie beurteilst Du diese Premiere zu diesem extrem frühen Zeitpunkt?
Gerd Siegmund: Das ist ja kein Hexenwerk, auf Eis anfahren und auf Matten landen. Das ist auf vielen Schanzen eine Trainingsvariante und auch nach den Grand-Prix-Wettbewerben im Herbst zum Beispiel in Klingenthal für die Athleten nichts Neues. Aufgrund der Fußball-WM und sicher auch aus energiepolitischen Erwägungen war das eine gute Möglichkeit, in den Winter zu starten.
AVIA: Also eine Variante für die Zukunft?
Gerd Siegmund: Wenn der Weltverband bei einem frühen Termin in Wisla bleibt, spricht nichts gegen die Mattenvariante. Klar wollen wir eine Wintersportart bleiben und auf Schnee springen. Aber gerade in Wisla wird Anfang und auch Ende November kein natürlicher Schnee liegen. Der Aufwand ist dann sehr groß und die Chance, einen perfekten Aufsprunghang zu präparieren, eher klein. Von daher, alles okay. Ich hätte vielleicht Wisla eine Woche nach hinten verlegt und danach noch einen Weltcup eingebaut, damit die Pause bis Ruka nicht so lang gewesen wäre.
AVIA: Da gab es sicher auch Zwänge wegen der TV-Übertragung in Bezug auf die Fußball-WM. Aber zum Sportlichen. Wie bewertest Du den Auftakt in Polen?
Gerd Siegmund: Es gab eigentlich nichts gewaltig Überraschendes, außer vielleicht der Sieg von Eva Pinkelnig. Auch die Dominanz von Dawid Kubacki, über die wir nach Klingenthal bereits gesprochen haben, ist schon erstaunlich. Da braucht man kein Prophet zu sein, dass er im kommenden Winter bei den drei Höhepunkten mit der Tournee, der WM in Planica und dem Gesamtweltcup ganz vorn dabeisein wird – wenn er gesund bleibt. Dazu kommen die üblichen Verdächtigen: Stefan Kraft, Ryoyu Kobayashi oder die Norweger, die mannschaftlich überzeugten. Hoffentlich dann auch die Deutschen.
AVIA: Du sprichst es an: Neu und ein bisschen überraschend war, dass Karl Geiger und Co. noch mehr Reserven offenbarten, als es schon in Klingenthal der Fall war, oder?
Gerd Siegmund: Da gebe ich dir recht. Von den größeren Teams waren wir diejenigen, die nicht performt haben. Der zweite Platz von Katharina Althaus, der ihr Auftrieb geben wird, war die positive Ausnahme. Also da bin ich sehr gespannt, ob die Deutschen die Pause jetzt noch gut nutzen konnten, um aufzuholen. Sie haben Trainingslehrgänge in Oberstdorf und Klingenthal absolviert und sicher auch am Material gefeilt.
AVIA: Konntest Du etwas erkennen, ob es ein generelles Problem in Wisla gab?
Gerd Siegmund: Die Frage ist schwierig zu beantworten. Es kann sein, dass der eine oder andere noch gar nicht seine Winterski genommen hat, weil auf Matten gelandet wurde. Alle anderen Themen, zum Beispiel die Qualität der Anzüge, muss man jetzt mal abwarten. Bekannt ist auch, dass wir bei nassen Bedingungen, wie sie am Samstag in Wisla herrschten, in den letzten Jahren nicht immer top dabei waren in der Geschwindigkeit und im Fahrgefühl. Aber ich würde das jetzt nicht überbewerten. Die große Anlage in Ruka hat auch eine ganz andere Charakteristik als jene in Wisla.
AVIA: Bleibt das deutsche Team in der Besetzung vom Auftakt auch im hohen Norden Finnlands so zusammen?
Gerd Siegmund: Nein, Bundestrainer Stefan Horngacher nimmt Stephan Leyhe in die Mannschaft, Philipp Raimund geht dafür raus. In Ruka kann es auch mal ganz schön um die Ecke pfeifen. Philipp ist noch sehr jung, im Flug fehlt ihm vielleicht noch ein bisschen die Stabilität. Aus meiner Sicht ist die Entscheidung nachvollziehbar.
AVIA: Danke Gerd fürs Gespräch.