Der neue Sepp Gratzer kommt aus Finnland

Die Sommer-Grand-Prix-Serie der Skispringer beginnt in Wisla, erstmals gemeinsam mit den Damen. Vorhang auf zum Sommer-Grand-Prix der Skispringer 2021. Zum Auftakt in Wisla sind erstmals die Damen gemeinsam mit den Herren am Start. AVIA hat bei seinem Skisprungexperten Gerd Siegmund nachgefragt.


AVIA: Hallo Gerd, es geht schon wieder los, wenn auch erst einmal mit der Sommer-Grand-Prix-Serie. Was gibt es Neues im Skisprungzirkus?

Gerd Siegmund: Traditionell halten sich die Veränderungen in einer olympischen Saison in Grenzen. So auch diesmal. Beim Material gibt es eine Kleinigkeit, welche die Messung des festen Bandes um die Taille in den Anzügen der Springer betrifft. Neu ist allenfalls, dass die Kontrollen von einer anderen Person als in den letzten 20 Jahren vorgenommen werden, da Sepp Gratzer in den Ruhestand gegangen ist. Der neue Mann heißt Mika Jukkara. Er ist 57 Jahre alt. Und wie der Name vermuten lässt, kommt er aus Finnland.

AVIA: Kennst Du den Sportkameraden aus Lahti?

Gerd Siegmund: Nicht so gut wie Sepp Gratzer.  Er war einmal Springer im nationalen Bereich, hat seit 1990 in Lahti als Funktionär gearbeitet, war oft Rennleiter bei den Lahti-Skispielen. Seit 2004 ist er auch international als Technisch Delegierter bei Skisprung-Wettkämpfen im Einsatz gewesen. Da ist man sich schon über den Weg gelaufen.

AVIA: Die Materialkontrollen an Schuhen, Skiern, Bindungen und Anzügen werden immer aufwendiger. Siehst Du Möglichkeiten, dieses Prozedere zu vereinfachen?

Gerd Siegmund: Ja, und das nicht erst seit gestern. Hinzu kommen ja auch noch die Parameter des Sportlers wie Gewicht, Größe, Fußlänge, die vermessen werden müssen. Es gibt seit vielen Jahren Bestrebungen, die Daten des Skispringers mit einem 3D-Bodyscanners schnell und einfach zu erfassen. Die Technik dafür ist da. Es braucht aber mehr dazu, damit dieses sicher nicht billige 3D-Gerät möglichst allen Nationen zur Verfügung steht. Ich denke, dass sich nach dem Olympiawinter auf diesem Sektor etwas bewegen wird. 

AVIA: Gibt es Neuigkeiten in den Teams?

Gerd Siegmund: Keine gravierenden. Daniel Andre Tande hat sich körperlich topfit zurückgemeldet. Er will in diesem Monat oder spätestens im August erstmals nach seinem Horrorsturz von Planica wieder auf die Schanze klettern. Sein Teamkollege Robert Johansson wurde am Rücken operiert. Bei den Österreichern mussten Michi Hayböck und Stefan Kraft mit kleineren Verletzungen Sprungpausen einlegen. Neuer Nationaltrainer der Tschechen ist Vasja Bajc. Und der Slowene Jernej Damjan hat seine Laufbahn beendet. 

AVIA: Wie lief bisher der Sommer für die deutschen Skispringer?

Gerd Siegmund: Wie bei anderen Nationen auch standen mehr Trainingslehrgänge an als im Vorjahr. Damals war natürlich auch coronabedingt mehr Heimtraining angesagt. Die Mannschaft von Bundestrainer Stefan Horngacher hat Camps in Hinterzarten, Innsbruck, Stams oder Ramsau abgehalten. In Hinterzarten konnte aber nur auf der 70-m-Schanze gesprungen werden, weil die große Anlage nach wie vor wegen Konstruktionsmängeln nicht zur Verfügung steht. Das Gleiche trifft auf die Anlagen in Oberstdorf zu, wo sich nach den Umbauarbeiten für die WM Unebenheiten auf dem Aufsprunghang gebildet haben. Deshalb muss der Mattenbelag nun wieder runter. Man hofft, dass dort im Herbst auf der Eisspur wieder trainiert werden kann.

AVIA: Klingt nicht nach einer optimalen Olympiavorbereitung, oder?

Gerd Siegmund: Für die Nationalmannschaften ist es nicht das größte Problem, weil sie ohnehin viel zu Lehrgängen unterwegs sind. Für den Stützpunkt und alle, die auf die Schanzen fürs Training angewiesen sind, ist es aber eine Katastrophe.

AVIA: Was erwartest Du von der Sommer-Serie?

Gerd Siegmund: Wieder einen Schritt zurück zur Normalität. Meines Wissens sind in den meisten Orten Zuschauer erlaubt. Natürlich nur, wenn es das aktuelle Infektionsgeschehen vor Ort zulässt. Aber gerade am Wochenende zum Auftakt in Wisla erwarte ich eine ­gute Stimmung. Gespannt bin ich auf die Grand-Prix-Premiere von Schuchinsk. Das ist eine 50.000-Einwohner-Stadt im Norden Kasachstans, wo 2019 zwei Top-Schanzen eingeweiht wurden.

AVIA: Was glaubst Du, wie rege werden die Nationen die Grand-Prix-Serie für Testzwecke nutzen?

Gerd Siegmund: Da wird sich nicht viel ändern zu den Vorjahren. Ich denke, Wisla, Courchevel, Hinzenbach und Klingenthal werden am besten besetzt sein. Das hat einfach auch mit dem Reisestress, der ja im Winter bereits nicht zu unterschätzen ist, zu tun. Aber nachdem es 2020 wegen der Pandemie nur zwei Springen in Wisla und deshalb auch keinen Gesamtsieger gab, wird es dieses Jahr schon mal viel besser. Positiv ist auch, dass gleichzeitig am Wochenende in Kuopio die COC-Serie, also die 2. Liga, startet.

AVIA: Die Damen hatten im Vorjahr gar keine Sommer-Wettbewerbe. Auch da gibt es positive Signale.

Gerd Siegmund: Ja, auf vier Grand-Prix-Stationen, so auch in Klingenthal, sind die Damen mit den Herren gemeinsam am Start. Das wird auch im kommenden Winter in einigen Orten, zum Beispiel erstmals in Willingen, der Fall sein. Es geht also in die richtige Richtung. Ich weiß, dass FIS-Renndirektor Sandro Pertile das Damenskispringen am Herzen liegt und er sich für eine stete Entwicklung einsetzt.

Sommer-Grand-Prix-Kalender 2021:

  • 17./18. Juli: Wisla (Herren/Damen)
  • 6./7. August: Courchevel (H/D)
  • 15. August: Frenstat (D)
  • 4./5.: September: Schuchinsk (H)
  • 11. September: Tschaikowski (H/D)
  • 18./19. September: Rasnov (H)
  • 25. September: Hinzenbach (H)
  • 2. Oktober: Klingenthal (D/H)
Erstellt am:
News: Wintersport
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AVIA-Experte Gerd Siegmund